
Herr Dr. Drossel, die Stiko hat sich ja nun offiziell für Corona-Impfungen für alle Kinder und Jugendlichen ab zwölf Jahren ausgesprochen. Erwarten Sie jetzt oder spätestens vor Beginn des neuen Schuljahres einen Ansturm?
Ob es gleich ein Ansturm sein wird, ist schwer zu sagen. Wir hätten jedenfalls nichts dagegen. Sicherlich wird sich die Nachfrage erhöhen. Wir wissen jedenfalls von vielen Jugendlichen und Eltern, die bislang verunsichert waren, weil es noch keine Stiko-Empfehlung gab. Viele von ihnen werden sich jetzt sicherlich für die Impfung entscheiden.
Schon bisher konnten sich Jugendliche gegen das Virus impfen lassen, wie groß war bisher die Resonanz?
Das Impfzentrum ER/ERH impft Jugendliche über 12 Jahren seitdem der Impfstoff von BionTech/Pfizer für diese Altersgruppe zugelassen wurde. Allerdings haben wir Jugendliche bislang überwiegend im Impfzentrum in der Sedanstraße geimpft, weil nicht alle Impfärztinnen und Impfärzte ohne Stiko-Empfehlung impfen wollten und weil das Anmeldeportal Jugendliche nicht automatisch eingeladen hat. Außerdem wurden gesonderte Aufklärungsgespräche geführt. Auf diese Weise haben wir bislang ungefähr 2000 Jugendliche über 12 Jahren geimpft.
Gibt es auch Bedenken von Eltern gegen eine Corona-Imfpung ihres Kindes?
Sicherlich gibt es die, allerdings erfahren wir das kaum. An uns wenden sich ja in der Regel die Jugendlichen bzw. ihre Eltern, die an einer Impfung interessiert sind.
Was raten Sie diesen?
Es wird nicht verwundern, dass ich als ärztlicher Leiter eines Impfzentrums empfehlen würde, Jugendliche zu impfen. Es ist zwar richtig, dass Infektionen bei Jugendlichen in der Regel harmlos verlaufen, aber auch bei jungen Menschen gibt es Langzeitfolgen wie das Long-Covid-Syndrom oder chronische Fatigue, also das Erschöpfung-Syndrom. Außerdem zeigen Studien, dass bis zu 20 Prozent aller an Covid erkrankten Personen anschließend mit mehr oder weniger schweren Organbeeinträchtigungen zu tun haben. Nebenwirkungen der Impfung hingegen sind, so bestätigt das ja jetzt auch die Stiko, außerordentlich selten. Dass Ungeimpfte früher oder später infiziert werden, ist bei der Delta-Variante des Virus aber sehr wahrscheinlich.
Wie läuft die Impfung bei einem Kind oder Jugendlichen ab?
Bei der Impfung selbst gibt es keinen Unterschied zu Erwachsenen. Zu beachten ist, dass wir Jugendliche zwischen 12 und 16 Jahren nur in Begleitung mindestens eines Elternteils bzw. eines Erziehungsberechtigten impfen. Und die Begleitung muss vor Ort versichern, dass auch das andere Elternteil mit der Impfung einverstanden ist. Ab 16 Jahren können die Jugendlichen auch alleine ins Impfzentrum kommen, da genügt uns die schriftliche Einverständniserklärung der Eltern.
Während Kinder und Jugendliche zum ersten Mal geimpft werden sollen, ist bei Älteren die Debatte über eine dritte Impfung zur Auffrischung entbrannt. Gibt es bei Ihnen Drittimpfungen?
Das Impfzentrum ER/ERH führt regelhaft noch keine Dritt- bzw. Auffrischungsimpfungen durch. Für den 18.8.2021 ist die neue Corona-Impfverordnung angekündigt, die die Grundlage dafür bieten soll. Wir gehen davon aus, dass wir im September mit den ersten Auffrischungsimpfungen starten, zunächst wieder in den Senioreneinrichtungen. Im Impfzentrum selbst werden Drittimpfungen erst etwas später einsetzen, vermutlich im Oktober. Im Fokus stehen zunächst wieder die vulnerablen Gruppen, Hochbetagte, Menschen mit schweren Vorerkrankungen, vor allem mit geschwächtem Immunsystem, und Berufsgruppen, die mit besonders gefährdeten Menschen zu tun haben.
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