ERLANGEN - Das Reiterinnen-Drama beim Olympischen Fünfkampf in Tokio hat eine intensive Diskussion über das Regelwerk für diese Sportart ausgelöst. Nachdem das Pferd Saint Boy die deutsche Reiterin Annika Schleu durch zahlreiche Verweigerungen um die mögliche Goldmedaille gebracht hatte, waren Bundestrainerin Kim Raisner die Nerven durchgegangen. Mit den deutlich hörbaren Worten "Hau drauf, hau richtig drauf!" animierte sie Annika Schleu, das völlig verängstigte Pferd mit der Gerte zu schlagen. Zudem stieß sie Saint Boy mit der Faust in die Seite. Kim Raisner, die auch die Männer trainierte, wurde daraufhin von der weiteren Teilnahme an der Olympiade ausgeschlossen. Unsere Zeitung sprach mit Astrid Starick, Betreiberin des Reitstalls auf Gut Eggenhof in Uttenreuth, über den Vorfall.

Frau Starick, Trainerin Kim Raisner rechtfertigte ihr Verhalten damit, dass es keine Quälerei sei, einem Pferd mal mit der Gerte hinten draufzuhauen. Pferde quälen sehe anders aus. Schätzen Sie dies ähnlich ein?

Nein. Ein Pferd mit der Gerte zu touchieren, ist okay, da ihm dies nicht weh tut und es als Impuls völlig ausreicht. Es damit zu schlagen und ihm einen Fausthieb zu versetzen, geht hingegen nicht. Pferde sind sehr feinfühlig. Mit harten Reaktionen verunsichert man sie nur zusätzlich und fügt ihnen Schmerzen zu. Annika Schleu ist im Sattel regelrecht auf und ab gesprungen. Ein Pferd lenkt man jedoch in erster Linie durch Druck mit den Schenkeln.

"Vertrauensverhältnis wichtig"

Saint Boy hatte schon bei der vorherigen Sportlerin verweigert. Ist es generell problematisch, einer Reiterin einfach ein Pferd zuzulosen?

Torsten Hanspach (tha):
Astrid Starick, Leiterin Reitstall Gut Eggenhof (Uttenreuth)
Astrick Starick, Leiterin des Reitstalls Gut Eggenhof bei Uttenreuth. © Torsten Hanspach, no credit

Das ist es. Zwischen einer Reiterin und einem Pferd muss sich ein Vertrauensverhältnis entwickeln. Jedes Tier hat einen eigenen Charakter, auf den man entsprechend eingehen muss. Ich bin einmal ein Pferd geritten, mit dem außer mir niemand zurechtkam, weil es vorher vermutlich schlecht behandelt worden war. Ich habe mit ihm gearbeitet und war dann recht erfolgreich.

"Vorbildfunktion beschädigt"

Befürchten Sie, dass das Ansehen des Reitsports durch die Ereignisse von Tokio leidet?

Ja. Sportlerinnen und Trainerinnen haben gerade bei der Olympiade auch eine Vorbildfunktion. Ein Pferd ist keine Maschine und kein Sportgerät. In unserem Reitstall halten wir die Pferde tiergerecht und zwingen sie zu nichts. Geht man mit dem jeweiligen Pferd einfühlsam um, hat es auch an einem Wettkampf richtig Spaß.