
Martina Stamm-Fibich, geboren am 24. April 1965 in Erlangen-Bruck, ist seit 2013 als SPD-Abgeordnete im Bundestag, sie trat im Wahlkreis 242 (Erlangen) an und kam über die Landesliste Bayern nach Berlin. In der jetzt zu Ende gehenden - ihrer zweiten - Legislaturperiode im Bundestag ist sie Mitglied im Ausschuss für Gesundheit sowie im Petitionsausschuss, wo sie auch stellvertretende Vorsitzende ist. Außerdem ist sie Patientenbeauftragte der SPD.
Ein offenes Ohr haben
Hürden überwinden: Das, so hat sich wiederholt gezeigt, ist möglich, wenn man hartnäckig bleibt, sich in ein Thema vertieft. Als Patientenbeauftragte ihrer Partei ist es der Fränkin ein erklärtes Anliegen, ein offenes Ohr zu haben, die Schnittstelle zur Arbeit im Petitionsausschuss ist augenfällig.
Das laute Auftreten nach außen hin liegt Martina Stamm-Fibich nicht. „Ich twittere nur, wenn ich wirklich etwas zu sagen habe“, sagt sie auf Nachfrage. Die Devise, die sie auf ihrer Homepage ausgibt, fasst das zusammen, was ihr wichtig ist und was sie in verschiedenen thematischen Facetten in die sozialen Netzwerke einfließen lässt: „Gesundheit ist keine Ware, in unserem System muss der Mensch im Mittelpunkt stehen“.
Erfolge im Petitionsausschuss
Den Menschen in den Mittelpunkt zu rücken, ist ihr aber nicht nur bei der Gesundheitspolitik ein Anliegen. Vielleicht auch deshalb liegt ihr die Arbeit im Petitionsausschuss besonders am Herzen. Nach außen hin tritt dieser Ausschuss eher wenig in Erscheinung, und doch ist er die Anlaufstelle in Berlin, wo sich Menschen mit ihren Anliegen ganz konkret an die Politik wenden können - das einzige direktdemokratische Element auf Bundesebene. Er ist gewissermaßen auch ein Seismograph für gesellschaftliche Belange von Menschen, die sich in der „großen Politik“ übergangen oder nicht repräsentiert fühlen, und es ist kein Zufall, dass während der Pandemie die Zahl der eingereichten Petitionen anstieg - insbesondere im Bereich Gesundheit. 2020 reichten Bürger hierzu 43 Prozent mehr Petitionen ein als 2019.
Im Petitionsausschuss, sagt Martina Stamm-Fibich, seien ihre Erfolge, "darüber freue ich mich wirklich". Zuletzt stach vor allem ihr Einsatz für die Duogynon-Opfer hervor. Über 500 von ihnen waren in den 1960er bis in die 1980er Jahre hinein allein in Deutschland mit Missbildungen zur Welt gekommen, nachdem ihre Mütter das Präparat Duogynon als Schwangerschaftstest genutzt hatten, viele starben bereits kurz nach der Geburt, die Überlebenden werden zeitlebens auf medizinische Behandlung angewiesen sein. Jetzt soll durch eine unabhängige Untersuchung geklärt werden, ob ein Entschädigungsfonds eingerichtet wird.
Ein anderes Thema: Als 2018 die Interessengemeinschaft der gestohlenen Kinder der DDR ihre Petition unter anderem mit der Forderung nach Aufklärung und Aufarbeitung einreichte, erkannte der Ausschuss sofort die Brisanz - nur wenig später gab es eine öffentliche Expertenanhörung. Das Thema Zwangsadoption in der DDR wird inzwischen wissenschaftlich aufgearbeitet, "wenn du diesen Menschen, die teilweise den Glauben an den Staat verloren haben, helfen kannst, dann hat sich das politische Engagement gelohnt", sagt Stamm-Fibich.
Corona und der Gesundheitsausschuss
Corona: Die Hälfte der Legislaturperiode wurde von der Pandemie eingenommen, der Gesundheitsausschuss des Bundestags war davon besonders stark in Anspruch genommen. Die letzten eineinhalb Jahre waren extrem arbeitsintensiv, auch davor schon gab es viel zu tun, „wir haben mit Jens Spahn einen Minister, der sehr viel anpackt“, sagt Martina Stamm-Fibich. „Wir haben 38 Gesetze gemacht in dieser Legislatur.“ Die Pflegeberufegesetze, die Neuausrichtung der Psychotherapie, die Akademisierung der Hebammen - „wir haben viel gearbeitet, schon vor Corona und danach erst recht.“
Und dann: die Pandemie. Der Gesundheitsausschuss habe viele Dinge beschließen müssen, zum Beispiel die Freihalteprämien in den Krankenhäusern. Man habe finanziell sicherstellen müssen, dass die Infrastruktur bestehen bleibt - zum Beispiel dass Einrichtungen wie Mutter-Kind-Heime über die Runden kommen. Es sei anfangs zu Fehlstellungen gekommen, man habe Dinge übersehen, räumt Stamm-Fibich ein, das Nachsteuern habe sehr viel Arbeit gemacht. Das Resümee, das sie zum Ende der Legislaturperiode zieht: „Man braucht gut vorbereitete Pandemiepläne. Die Gesundheitsämter müssen viel besser aufgestellt werden, sie waren kaputtgespart. Das darf uns nicht mehr passieren. Man braucht auf jeden Fall in Zukunft eine koordinierende Stelle.“ Ob das unbedingt ein Bundesgesundheitsamt sein müsse, sei dahingestellt.
Pflege attraktiver machen
Viel zu tun wird es in der nächsten Legislaturperiode für Gesundheitspolitiker auch jenseits von Corona geben. „Wir müssen die Systematik der Finanzierung für die Krankenhäuser überdenken“, sagt Martina Stamm-Fibich. Weiterhin auf Wettbewerb setzen wie die Union will die SPD und mit ihr die fränkische SPDlerin nicht. „Dass es der Wettbewerb nicht richtet, haben wir gesehen, genauso wie bei der Digitalisierung.“ Einen Sockelbetrag für Versorgungskrankenhäuser - das könnte sie sich vorstellen. Den sollte kriegen, wer nachts die Platzwunde näht.
Eine der größten Herausforderungen aber wird sein, die Pflege attraktiver zu machen - mit der Teilakademisierung über Aufstiegsmöglichkeiten Anreize schaffen. „Es wird sich erst etwas ändern, wenn die Menschen, die in der Pflege arbeiten, wieder zufriedener sind.“ Das aber werden sie erst sein, wenn sie ihre Arbeit so erledigen können, wie es ihr Anspruch ist, ist sich Stamm-Fibich sicher - die Voraussetzung dafür: genügend Personal.
Debatte zur Sterbehilfe
Eine spannende Debatte erwartet sie zum Thema Sterbehilfe, nachdem das Verfassungsgericht die vor drei Jahren erfolgte Regelung kürzlich gekippt hat. Ihre Position hat Stamm-Fibich in dieser Sache längst gefunden - „ich möchte Vorkehrungen für Kinder und psychisch Kranke treffen“, sagt sie.
Gehör finden, Gehör schenken: Ihr Hintergrund als Gewerkschafterin und Betriebsrätin gebe ihr Einblicke, sagt die Politikerin. In Erlangen, der Stadt in Bayern mit der höchsten Facharztdichte nach Starnberg, sei sie zudem gesegnet mit der Möglichkeit zum regelmäßigen Austausch mit Fachleuten.