Erlangen - Die evangelisch-reformierte Hugenottenkirche Erlangen geht mit neuer Pfarrerin in die Zukunft. Mitte Mai wurde Susanne Gillmann in dieses Amt gewählt. Als Interimspfarrerin während der Querelen um ihren Vorgänger Johannes Mann war sie den Gemeindemitgliedern bereits bekannt.

Angekommen in der evangelisch-reformierten Kirchengemeinde Erlangen ist Susanne Gillmann schon längst. Am 20. Juni war der Gottesdienst, mit dem sie von Präses Simon Froben als Pfarrerin in die Gemeinde eingeführt wurde. Doch gepredigt hat sie in der Hugenottenkirche zum ersten Mal bereits vor elf Jahren. Von September 2020 bis Ende Februar 2021 übernahm sie schließlich die Vakanzvertretung von Stefania Scherffig, die diese zuvor ein Jahr lang inne gehabt hatte.

Es war eine schwierige Phase für die Gemeinde: 18 Jahre lang war Pfarrer Johannes Mann in der Hugenottengemeinde tätig gewesen, nach gemeindeinternen Querelen um seine Person übte er sein Amt nicht mehr aus, das Presbyterium war zerfallen, es kam zu Neuwahlen.

Die Ereignisse in der Kirchengemeinde, deren Gotteshaus mitten in der Stadt steht und das für Besucher, die mit dem Zug ankommen, einer der ersten Anblicke ist, erregten stadtweit Aufmerksamkeit - nicht zuletzt auch deshalb, weil Pfarrer Mann über die Jahre hinweg mit verschiedenen Initiativen und Aktionen die Hugenottenkirche in der Stadt repräsentiert hatte.

Zeit für einen Neuanfang

Doch jetzt ist es Zeit für einen Neuanfang, das wird im Gespräch mit Susanne Gillmann ganz deutlich. Es findet im idyllischen Innenhof statt. Zwischen Kirche und Pfarramt ist ein Rückzugsort, in den über die Mauern nur hin und wieder Geräusche von der Straße hereinschwappen, während droben auf dem Dach des Nachbarhauses die Störche auf ihrem Nest mitunter mit den Schnäbeln klappern.

Die Webcam oben auf dem Kirchturm erlaubt einen genauen Blick ins Storchennest. Susanne Gillmann hofft, dass sie bald freigeschaltet werden kann - damit es nach der Schwere der letzten Jahre endlich einmal wieder etwas Leichtes, Schönes zu berichten gibt aus der Gemeinde.

"Es wäre unbarmherzig, ja naiv, so zu tun, als wäre hier kein Konflikt gewesen", sagt sie. "Diese Gemeinde wird mit den Wunden leben müssen." Die Frage sei, "ob man diese Wunden gut versorgen kann". Traut sie sich das zu? "Ich muss das nicht alleine leisten", antwortet sie.

Von den Gemeindegliedern gewählt

"Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass wir die Wunde nicht links liegen lassen, dass sie sein darf." Und sie sagt ganz klar: "Ich bin gerne bereit, mit dem Presbyterium nächste Schritte zu gehen".

Das Presbyterium - der Kirchenvorstand - hat sie und zwei weitere Bewerber für die Stelle des Pfarrers vorgeschlagen, die beiden Mitbewerber zogen zurück. Vom Moderamen in Bayern und dem Gesamtverband der evangelisch-reformierten Kirche in Deutschland wurde noch einmal überprüft, ob es in Ordnung ist, dass nur eine Person vorgeschlagen wird.

Schließlich ging sie als einzige Kandidatin ins Rennen, ihre Probepredigt vor den Gemeinde wurde auch auf YouTube gestellt. Zwei Wochen später wurde sie von der Gemeinde gewählt. "In der Gesamtzahl waren es wenige Gemeindemitglieder, ich nehme das Nicht-Reagieren der anderen als Zustimmung", sagt sie.

Begeisterte Handballspielerin

Die 55-Jährige stammt aus einer Pfarrersfamilie, die über mehrere Generationen in der rheinischen Kirche im Hunsrück angesiedelt war. Im aktuellen Gemeindebrief gibt sie Auskunft über sich selbst. Man erfährt, dass sie als Kind leidenschaftlich gern Handball spielte, und ihre Lieblingsstellen in der Bibel.

Auf die Frage, ob sie einmal etwas Besonderes in einem Gottesdienst gemacht hat, erzählt sie, dass sie im Rahmen einer Predigtreihe zum Thema Geld allen im Gottesdienst Anwesenden jeweils zehn Euro anvertraute, die diese innerhalb von drei Monaten vermehren sollten. Zweifler, die befürchteten, dass das Geld nicht mehr zurückerstattet werden würde, wurden eines Besseren belehrt. Mit unterschiedlichen, teilweise sehr originellen Ideen konnten die Gemeindemitglieder die Summe auf mehr als das Doppelte vermehren, so dass die Gemeinde nicht nur ihr Geld zurückbekam, sondern auch eine soziale Einrichtung unterstützt werden konnte.

Eigene Supervisionspraxis

Nach Erlangen kam Susanne Gillmann 2009 mit ihrer Tochter und ihrem Mann, der als Islamwissenschaftler an der Friedrich-Alexander-Universität das Kompetenzzentrum für Recht und Islam in Europa aufbaute. Zuvor hatte sie in einer Innenstadtkirche in Bad Kreuznach als Pfarrerin gearbeitet, von 2012 bis 2017 war sie Geschäftsführerin beim "Betreuungsdienst Psychiatrie Erlangen e.V.", ließ sich in dieser Zeit als Supervisorin ausbilden und eröffnete 2018 ihre eigene Supervisionspraxis für Kirchengemeinden, Schulen, Kliniken mit dem Schwerpunkt Ehrenamtliche.

Wie wird es mit der Hugenottengemeinde und ihr als Pfarrerin weitergehen? Zwei Dinge sind Susanne Gillmann im EN-Gespräch wichtig. "Ich würde die Kirche gern im Alltag mehr öffnen", sagt die Pfarrerin. Und ihr ist sehr an der Jugendarbeit gelegen. Große Sympathie hat sie für die Jugendbewegung Fridays for Future. "Es ist die Generation, die zum ersten Mal die Welt als endlich denken kann", sagt Susanne Gillmann. "Dass sie das benennen und mit dem Schulboykott unangenehme Reaktionen auslösen, finde ich richtig."

Elterngeneration in der Pflicht

Vor dem Mut der jungen Leute habe sie großen Respekt. Und sie sieht auch die Elterngeneration in der Pflicht. Die Starkregen-Katstrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen ist ein weiterer Weckruf. Zurück zum Theologischen: "Warum lässt Gott dies zu?", sei die falsche Frage, findet Susanne Gillmann. Man müsse vielmehr umgekehrt fragen; "Was maßt der Mensch sich an voranzutreiben?".