
Es gab Zeiten, da hat sich Monika Wolf nicht einmal an den Wasserspender in der Teeküche heran getraut. Sie habe sich ihre eigenen Flaschen von daheim mitgebracht, erzählt die 40-Jährige, die während der zweiten Welle auf einer der Covid19-Stationen des Klinikums beschäftigt war. "Ich hatte immer Angst, dass ich das Virus mit nach Hause in meine Familie bringe." Und das nicht ohne Grund: Mehrere ihrer Kollegen haben sich angesteckt, einige von ihnen erkrankten schwer, für zwei Mitarbeiter endete die Infektion tödlich.
Sie habe deshalb jedwedes Risiko ausschließen wollen, sagt die Pflegefachfrau. Wenn sie von ihrer Schicht nach Hause kam, führte sie ihr erster Weg unter die Dusche. Außer Mann und Kind habe sie niemanden gesehen, "sämtliche privaten Kontakte waren gestrichen". Und trotzdem sagt die Nürnbergerin, die derzeit an einem Trainingsprogramm für zukünftige Stationsleitungen teilnimmt, dass sie sich wieder für den Dienst auf der Corona-Station melden würde. "Man hat in dieser Krise auch gesehen, dass man so einiges bewältigen kann", betont Wolf.
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"Ich bin stärker, als ich dachte." Das ist ein Satz, den Privatdozent Dr. Markus Müller von den Mitarbeitern häufiger zu hören bekam. Der Psychologe untersucht gerade gemeinsam mit seiner Kollegin Dr. Barbara Stein im Rahmen der sogenannten Cope-Corona-Studie die Belastungen, denen sich das Krankenhauspersonal ausgesetzt sah und sieht. Unter der Leitung von Prof. Dr. Christiane Waller, Chefin der Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, werden dabei nicht nur die Mitarbeiter des Klinikums Nürnberg befragt, auch Beschäftigte von Krankenhäusern in Spanien, Andorra, Irland, Italien, Rumänien, Polen, Iran und China beteiligen sich und schildern, wie sie den Ausnahmezustand während der Pandemie erlebt haben. Beteiligt ist nicht nur das Pflegepersonal, sondern auch Beschäftige aus den Bereichen Service, Technik und Verwaltung.
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Das Interesse ist groß: An einer ersten Befragungsrunde im Sommer 2020 nahmen 2100 Mitarbeiter teil, 1300 davon aus Nürnberg. In einer zweiten Runde im Frühjahr diesen Jahres kamen über 4000 Fragebögen zurück, mehr als 3000 davon aus dem Ausland. Eine weitere, dritte Runde soll noch folgen, doch erste Ergebnisse liegen bereits vor. So zeigte sich, dass die Stressbelastung bei allen Teilnehmern gestiegen ist, egal, ob sie Kontakt zu Covid-19-Patienten hatten oder nicht. Das Gefühl, vorübergehend regelrecht ausgebrannt zu sein, zeigte sich dagegen vor allem bei den Mitarbeitern der Corona-Stationen. Bei ihnen sei die Belastung "signifikant höher", so Müller. Und sie sei bei denen, die zwei Mal an der Befragung teilnahmen, weiter gestiegen.
Doch ging es dem Team nicht nur darum, das Ausmaß der Belastung zu erforschen, sondern auch um die Frage, wie sich die Abwehrkräfte der Beschäftigten in derartigen Krisen stärken lassen. "Wir wollen herausfinden, wie man möglichst gut mit so einer Situation umgehen kann", betont Waller. Und auch darauf kann die Studie erste Antworten geben. Es sei wichtig, die eigene Belastung zu erkennen und in dem, was man tut, einen Sinn zu erkennen. Gerade am Anfang der Pandemie sei das nicht leicht gewesen, sagt Müller. "Da wusste man ja noch nicht so genau, wie man die Infektion behandeln kann." Mit dem Gefühl der eigenen Hilflosigkeit wachse aber auch die Erschöpfung.
Zusammenhalt im Team
Wer etwas bewirken könne und Sinn in seiner Tätigkeit sehe, komme besser durch die Krise. Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit im Team und das Vertrauen in die Vorgesetzten, wie Pflegedienstleitung Andrea Nätscher bestätigen kann. Auf den eigens gegründeten Corona-Stationen arbeitete ein bunt zusammengewürfeltes Team, die Rückmeldungen darauf waren positiv. "Wir sind durch die Belastung zusammengewachsen." Auch das war eine häufige Aussage.
Die Impfung war für etliche Beschäftigte eine Erleichterung. Geblieben ist Monika Wolf und ihren Kollegen dennoch der Respekt vor der Erkrankung. Wie schnell sich auch bei vorher Gesunden der Gesundheitsszustand rapide verschlechtern kann, das habe sie mehr als einmal gesehen, sagt die Krankenpflegerin. Phasenweise sei es besonders schwer gewesen, die Unbedarftheit und den Leichtsinn mancher Menschen auszuhalten, die weder Masken trugen noch Abstandsregelungen beachteten. "Da habe ich mir manchmal gedacht, euch müsste man mal einen Tag lang mitnehmen auf die Corona-Station."