Nürnberg - Ganz Deutschland freut sich über niedrige Fallzahlen, selbst im einstigen Hotspot Nürnberg liegt der Inzidenzwert bei 14,7 (Stand 25. Juni 2021). Doch das Gesundheitsamt bereitet sich auf das Eintreffen einer vierten Welle vor.

Vor den Türen des Historischen Rathaussaals ist es warm, die Sommersonne scheint. Im Saal dagegen ist es bereits September, thematisch jedenfalls. Im Gesundheitsausschuss geht es um das Coronavirus, das sich in der Erkältungszeit wohler fühlt als in den Monaten mit hoher UV-Strahlung. Es geht um die indische Mutante B.1.617.2, die mittlerweile Delta genannt wird und eine viel höhere Ansteckungskraft hat. Es geht darum, dass sich Nürnberg auf eine vierte Welle vorbereitet.

"Da kommt was auf uns zu"

„Ja, wir rechnen mit ihr“, betont Gesundheitsreferentin Britta Walthelm (Grüne) und Philipp Bornschlegl, der kommissarische stellvertretende Amtsleiter, sagt: „Hoffentlich gehen die Zahlen erst in zwei Monaten hoch“. CSU-Stadtrat Prof. Dr. Wolfram Scheurlen kommentiert: „Da kommt was auf uns zu!“

Daher trifft sich nach wie vor der Krisenstab. Zu dem gehören unter anderem Vertreter der Feuerwehr, des Ordnungsamts, des Polizeipräsidiums Mittelfrankens und der Arzt der Krankenhauskoordinierung gehören. Früher hieß dieser Krisenstab „Führungsgruppe Katastrophenschutz“ und kam einmal wöchentlich zusammen. Nun sieht man sich noch alle 14 Tage, nennt sich harmloser „Koordinierungsgruppe“ und hat die aktuelle Lage im Blick.

Wie sinnvoll das ist, zeigt das vergangene Jahr. Denn: Geht der Sommer, kommt das Coronavirus. Das Amt für Stadtforschung und Statistik für Nürnberg und Fürth listet in seinen „Corona-Datenblättern“ auch die Inzidenzzahlen der Monate Juni 2020 bis Mai 2021 auf. So lag im August 2020 die durchschnittliche Sieben-Tage-Inzidenz noch bei 1,3. Einen Monat später lag sie schon bei 37, im Oktober bei 47, im November war sie auf 235 explodiert.

Bei einer aktuellen Inzidenz von 14,7 leert sich das Gesundheitsamt wieder. So zählte die Behörde vor der Pandemie 80 Vollzeitstellen, in diesem Mai verfügte sie über 430 Vollzeitstellen. Nun ist zum Beispiel die Hilfe durch die Bundeswehr nicht mehr nötig, die Kameraden werden zum 30. Juni die Frankenmetropole verlassen. Andere kehren zu ihren eigentlichen Dienststellen zurück, in die Schlösser- und Seenverwaltung zum Beispiel, oder in die Justiz.


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Das Personal, das eigens zur Bewältigung der Pandemie eingestellt wurde, soll bis Jahresende bleiben und das machen, was im Stress der letzten Monate kaum zu schaffen war: Diese Frauen und Männer sollen alle Kontakte nachverfolgen und täglich bei jenen anrufen, die erkrankt sind oder unter Quarantäne stehen. Weil viele Beschränkungen weggefallen sind, hat eine infizierte Person mehr Kontakte als zu Zeiten von Ausgangssperre und strengen Reisewarnungen. Entsprechend mehr Arbeit fällt nun an.

In diesem Frühjahr sorgte B.1.1.7, die mittlerweile Alpha genannte britische Variante des Coronavirus, für das Anschwellen der dritten Welle. Neueste Studien weisen darauf hin, dass die in Indien erstmals entdeckte Mutante nochmal um 60 Prozent ansteckender ist als Alpha. Der Anteil der Delta-Variante bei den Corona-Infektionen beträgt inzwischen 15 Prozent, das zeigen die neuesten Zahlen des Robert-Koch-Instituts für die Kalenderwoche 23. Eine Woche vorher waren es erst 6,2 Prozent.

Erstdosis schützt kaum

Dazu kommt: Die Urlaubszeit beginnt. Auslandsreisende könnten noch mehr Delta-Viren nach Deutschland bringen. Auf den ersten Blick sieht es aus, als könnte Deutschland, als könnte auch Nürnberg im Herbst in einen furchtbaren Sturm geraten.

„Doch der Beginn der vierten Welle wird stark von bestimmten Faktoren abhängen“, sagt Gesundheitsreferentin Britta Walthelm. Sie zählt auf: „die Impfbereitschaft und Durchimpfungsrate der Bevölkerung, dem weiteren Verhalten bezüglich der Hygienemaßnahmen“.


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Das Gesundheitsamt beobachtet die Lage in Großbritannien, wo die Delta-Variante frühere Virustypen verdrängt hat und die Inzidenzzahlen hoch treibt. Bei Delta ist es wichtig, vollständigen Impfschutz zu haben, nach Angabe von Virologen schützt die Erstdosis kaum. Walthelm betont: „Möglichst viele Personen müssten so schnell wie möglich geimpft sein!“

Daher macht die Entwicklung im Impfzentrum in der Messehalle Sorgen. Dort sind vom 1. bis zum 23. Juli 2,5 Prozent der Zweitimpfungen nicht zustande gekommen, weil insgesamt 659 Personen einfach nicht erschienen sind.