HEROLDSBERG - Wer heute in Heroldsberg auf der Geschaidter Höhe nach Osten fährt, kann sich nur schwer vorstellen, dass sich auf dem Areal mit den stattlichen Gebäuden am Ortsende in Richtung Tauchersreuth eine Ziegelei befand. Für Landwirte war die Gegend früher ein Graus - bis einem von ihnen die zündende Idee kam und damit viel Geld verdiente.

Die Geschichte reizte Heimatforscher Peter Bajus, Näheres über den Betrieb herauszufinden, der mit seinen beiden mächtigen Schornsteinen über viele Jahrzehnte das Wahrzeichen des heutigen Gemeindeteils von Heroldsberg darstellte. Bajus studierte nicht nur die umfangreichen Dokumente im Nürnberger Staatsarchiv, die noch erhalten sind, sondern unterhielt sich auch mit Friedrich Ziegler, der sich gut an die damalige Produktion erinnern kann. Ernst Schön, der selbst immer wieder zur Heroldsberger Geschichte forscht, steuerte gleichfalls wertvolle Hinweise bei.

Zudem verfügt Schön über ein Kleinod: Ein Aquarell von 1927 des bekannten Malers Fritz Griebel, das die markante Silhouette des Dorfes zeigt. Griebel, der die meiste Zeit seines Lebens in Heroldsberg lebte, war nach dem Zweiten Weltkrieg von 1948 bis 1957 der erste Direktor an der Akademie der Bildenden Künste in Nürnberg und dort bis 1966 Professor für Malerei und freie Grafik gewesen.

Schwere Böden machten sehr zu schaffen

Die Ergebnisse seiner Recherche hat Peter Bajus in einem 31-seitigen Büchlein zusammengefasst, das er mit zahlreichen Fotos und Skizzen anschaulich aufbereitete. Gegen einen Beitrag zu den Unkosten, die durch Druck zustande gekommen sind, können es Interessenten bei ihm unter der Telefonnummer (09126) 288122 bestellen.

4C-ERL-Kleingeschaidt1184665
Bei dem Aquarell, das Fritz Griebel 1927 von Kleingeschaidt malte, durfte die Ziegelei nicht fehlen. © Dieter Kaletsch

Die Idee, in Kleingeschaidt eine Ziegelei aufzubauen, entstand aus einem Unmut heraus. Wie die anderen Landwirte der Gegend stöhnte auch Johann Conrad Beck, der wegen des früheren Hofs seiner Familie in Pettensiedel meist „Kästelbauer“ genannt wurde, über die schweren Böden im Umkreis.

„Warum nicht aus der Not eine Tugend machen?“, dachte er sich. Der Lehm rund um Kleingeschaidt, der die Feldarbeit so beschwerlich machte, war nämlich von außergewöhnlicher Qualität. Durch das starke Bevölkerungswachstum und die Errichtung neuer Fabriken bestand schließlich im 19. Jahrhundert eine große Nachfrage nach dem günstigen Baumaterial.

Bereits wenige Wochen nach seinem Antrag erteilte daher das Königliche Bezirksamt in Erlangen Beck 1876 die Erlaubnis, zunächst in Handarbeit Ziegel herzustellen. Da er sich intensiv um seine Landwirtschaft zu kümmern hatte, stellte der „Kästelbauer“ bald Wanderarbeiter für die Ziegelproduktion ein.

Extra Gasthaus für die Arbeiter errichtet

Diese mussten freilich verköstigt werden und brauchten Räume zum Übernachten, weshalb das Königliche Amtsgericht auch die Einrichtung einer Gaststätte samt Branntwein-Ausschank genehmigte. Um sich auf die Bewirtschaftung seiner Felder konzentrieren zu können, vermachte Beck die Ziegelei 1886 seinem Sohn Konrad.

In zwei neue Wohnhäuser wurden das Gasthaus und die Schlafräume für die Arbeiter integriert. Größere Gruben für den Abbau des Lehms befanden sich an der Straße nach Eschenau gegenüber des jetzigen Fernmeldemasts und in südlicher Richtung am Beginn der späteren Reime-Siedlung.

Sie umfassten zusammen 6000 Quadratmater und gingen bis in eine Tiefe von vier Metern. Der Lehm hatte eine graublaue beziehungsweise gelbliche Farbe.

Alte Gruben sind bis heute zu sehen

Nachdem ihn die Arbeiter zunächst mit Schubkarren transportiert hatten, baute Konrad Beck 1900 eine Feldbahn mit Loren, die allerdings zum Teil auch per Muskelkraft bewegt werden mussten. Bauern aus den Nachbardörfern lieferten den Lehm von ihren Feldern mit Fuhrwerken an.

Als Mulden sind viele der Gruben heute noch zu erkennen. Sie wurden nach dem Abbau wieder mit Erde aufgefüllt, die jedoch oft wieder etwas absackte, und mit Bäumen umgrenzt.

Den Lehm vermischten die Arbeiter mit Wasser und Sand, gossen ihn dann in Ziegelformen, strichen ihn glatt und ließen ihn trocknen, bevor die Rohlinge in Feldöfen gebrannt wurden. Hierzu schichteten sie bis zu acht Meter hohe Lagen, die sie abwechselnd aus Ziegelrohlingen und feiner Kohle bildeten, zu Meilern auf.

Mit der Dampfmaschine ging vieles besser

Kaputte Ziegel kamen als Mantel um diese Konstruktion. Schürgassen sorgten für eine ausreichende Sauerstoffzufuhr. Zwei bis sechs Wochen dauerte es, bis die Ziegel fertig waren, wobei ein Brennmeister den Prozess laufend kontrollierte.

Da der Ausschuss bei über einem Drittel lag und die Nachfrage nach Ziegel weiter gestiegen war, kaufte Beck Anfang des 20. Jahrhunderts eine Dampfmaschine von den Wolfshöher Tonwerken in Schnaittach und errichtete einen Ringofen.

Auf maschinelle Weise wurde in der Beck’schen Dampfziegelei nun der Lehm im sogenannten Kollergang gemischt, anschließend gepresst und für die Formen zurechtgeschnitten. Ein Förderband und ein Aufzug brachten die Rohlinge zu den Regalen für das Trocknen.

Großbetriebe sorgten für den Neidergang

Bei dem Ringofen waren mehrere Brennkammern, die unabhängig voneinander geschürt werden konnten, zu einem Oval zusammengefügt. Durch die feinere Steuerung hatten die Ziegel eine wesentlich höhere Qualität als bei den Meilern. Außerdem konnte die warme Abluft in den Trockenraum geleitet werden, was die Produktionszeit deutlich verkürzte.

Wegen der Hyperinflation in Deutschland geriet auch die Kleingeschaidter Ziegelei 1922 in eine Krise. Mehrmals wechselte sie den Besitzer, wobei sie Beck auch immer wieder zurückkaufte. Doch die alten Glanzzeiten waren vorbei, weil Großbetriebe Ziegel längst industriell und damit kostengünstiger herstellten.

Schließlich erwarb die Firma Reime 1943 das Areal, da sie wegen der Luftangriffe im Zweiten Weltkrieg einen Teil des Unternehmens aus Nürnberg verlagern wollte. Mit Hilfe von russischen Zwangsarbeitern wurden die Gebäude umfunktioniert, um ab sofort Präzisionswerkzeuge fertigen zu können.

Siedlung für die Arbeiter

Nahe der südlichen Lehmgrube kaufte die Firma Grund und verteilte die Parzellen an die Arbeiter, damit diese Häuser bauen konnten - der Anfang der Reime-Siedlung. 1994 gab Reime den Standort in Kleingeschaidt auf.

Das Abbruchunternehmen Streng aus Kitzingen übernahm danach das Anwesen. Inzwischen beherbergt der Komplex nach einem aufwendigen Umbau moderne Eigentumswohnungen.