Nürnberg - Särge, die vom Militär zum Krematorium gebracht wurden, und Ärzte, die um das Leben ihrer Patienten kämpften: Die Bilder, entstanden vor über einem Jahr im italienischen Bergamo, seien beängstigend gewesen, erinnert sich Alexander Eberharter. berharter leitet die Niederlassung des Gebrüder-Weiss-Konzerns in Nürnberg.

Der Firmensitz des Transport- und Logistikunternehmens befindet sich im österreichischen Lauterach. Weltweit ist die Firma an 150 Standorten mit 7400 Mitarbeitern vertreten; in Nürnberg sind 200 Mitarbeiter beschäftigt.

Für die Logistikbranche sei der erste Lockdown ein Schock gewesen, so Eberharter. Grenzschließungen waren bis dahin unvorstellbar. Als Urlaubsflieger am Boden bleiben mussten, musste die Branche schleunigst umdisponieren. „Wir haben Passagiermaschinen gechartert“, sagt Eberharter, „und den Transport auf die Schiene verlegt“.

Ein Güterzug von Shanghai nach Duisburg benötigt 14 Tage. So sei es zwar zu Lieferverzögerungen gekommen, aber die Waren seien angekommen. Dass die Logistik fix umgestellt werden konnte, sei den Mitarbeitern zu verdanken, so der Niederlassungsleiter.


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Auch die Beschäftigten des Albrecht Dürer Airports Nürnberg mussten sich auf eine noch nie dagewesene Situation einstellen. Kurzfristige Charter-Flüge erforderten Flexibilität. „Passagierflugzeuge mussten kurzerhand zu sogenannten Prachter umgerüstet werden“, so Flughafensprecher Christian Albrecht. Unter dem Kunstwort Prachter versteht man Passagiermaschinen, in deren Kabinen Fracht transportiert wird. Die Be- und Entladung sei allerdings schwierig, da die Fracht teilweise auf den Sitzen verzurrt sei, erklärt Albrecht. „Dafür sind nicht nur die Fracht- und Flugzeugabfertiger im Einsatz, sondern auch Kolleginnen und Kollegen aus anderen Bereichen wie zum Beispiel dem Gepäck- oder Kabinenservice, die sonst die Urlaubskoffer zum Passagierflugzeug bringen oder die Flieger reinigen.“ Unterm Strich ging 2020 im Vergleich zu 2019 die Luftfracht am Albrecht-Dürer-Airport um 22 Prozent zurück.

Besser kam der „bayernhafen“ durch das Krisenjahr. Trotz Corona verzeichnete dieser mit den Binnenhafen-Standorten Aschaffenburg, Bamberg, Nürnberg, Roth, Regensburg und Passau ein weitgehend stabiles Frachtaufkommen: So schlug das Unternehmen 2020 über seine sechs Standorte insgesamt 8,75 Millionen Tonnen Güter per Schiff und Bahn um – das sind 94 Prozent des Güterumschlags des Vorjahrs.

Eine verhältnismäßig kleine Delle verzeichnete die Wormser AG in Herzogenaurach mit 600 Mitarbeitern. Weil das Unternehmen nicht nur die Automobilbranche beliefert, sondern auch Lebensmittel und Baumaterial ausfährt, habe man sich gut erholt, sagt Vorstandvorsitzender Martin Nether. Wenn er an das Frühjahr 2020 zurückdenke, habe er Bilder von langen Staus an den Grenzen vor Augen. Auch er habe sich damals die bange Frage gestellt, wie die Krise bewältigt werden könne.

Lieferung direkt an den Verbraucher


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Doch wenig später ging es wieder aufwärts. Bis heute profitiert die Logistikbranche von einer ungebrochenen Kauflaune. Außerdem hat sie eine neue Kundengruppe hinzugewonnen: Endverbraucher. Pflastersteine oder neue Küchen wurden während des Lockdowns oftmals nicht an (Fach-)Geschäfte, sondern direkt an die Besteller geliefert.


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Viele dieser Waren werden aus Asien importiert. Weil die Nachfrage hoch ist, sich aber durch Arbeitsausfälle Aufträge gestaut haben und nun abgearbeitet werden müssen, sind leere Container Mangelware. Das verknappte Angebot sorgt nicht nur für einen Stau in der Lieferkette, sondern auch für höhere Kosten. Im Frühjahr 2021 hat sich laut Financial Times der Containerpreis auf der Hauptroute Asien - Nordeuropa verdreifacht.

Außerdem steigen die Transportkosten auch, weil derzeit Rohstoffe wie Holz knapp sind. Europaletten seien um bis zu 30 Prozent teurer, sagt Martin Nether. Ein Problem sei zudem fehlendes Personal, allen voran Lkw-Fahrer.

Nun hoffen die Logistiker, dass die Corona-Krise ihnen einen Imageschub beschert und sie die dringend benötigten Mitarbeiter einstellen können. Denn ohne eine gut aufgestellte Logistik kommen weder Mixer noch neue Laufschuhe zu den Kunden. „Funktionierende Lieferketten sind das A und O unserer Gesellschaft. Binnenhäfen mit ihrer Infrastruktur sind versorgungsrelevant“, betont daher auch „bayernhafen“-Geschäftsführer Joachim Zimmermann, der für 200 Mitarbeiter verantwortlich ist.

Erholung auch am Airport Nürnberg

Auch der Nürnberger Flughafen erholt sich. 2020 betrug das Frachtaufkommen weniger als 90.000 Tonnen; in den ersten vier Monaten 2021 lag das Aufkommen bei rund 35.000 Tonnen.

Den Aufschwung bestätigt die IHK Nürnberg für Mittelfranken. Nach einer anfänglichen Unsicherheit haben sich viele Betriebe auf den E-Commerce konzentriert, der seit Ausbruch der Pandemie boomt. „Chancen für die Logistikbranche bestehen insbesondere in der durch Corona beschleunigten Digitalisierung. Zudem hat Corona auch gezeigt, dass globale Lieferketten sehr fragil sind, was Auswirkungen auf die künftige Entwicklung haben könnte“, sagt Franziska Röder aus dem IHK-Referat für regionale Wirtschafts- und Verkehrspolitik.

Dass sich Lieferketten verändern werden und Regionalität in den Fokus rücken wird, bestätigen auch Alexander Eberharter und Martin Nether. Um konkrete Aussagen zu machen, sei es allerdings zu früh, so Nether. Denn noch seien die Auswirkungen und das Ende der Pandemie nicht kalkulierbar. Aber man sei jetzt auf vieles besser vorbereitet als noch vor 14 Monaten.