Fürth - John Davis ist tot. Viele Höhen und manche Tiefen des Musikbusiness hat "die wahre Stimme von Milli Vanilli" erlebt. Zuletzt lebte er in Cadolzburg. Sein Fürther Kollege, Bandleader Thilo Wolf, erinnert sich an Davis, der 66 Jahre alt wurde, an Corona starb - und mit einer Eigenschaft die Welt verzaubern konnte.

Es ist eine arg abgedroschene Floskel, "Musik war sein Leben". Trotzdem hatte man bei John Davis das Gefühl: Das trifft zu. Korrekt?

Er war pure Musik. Die Freude an der Musik hat er mit großer Leidenschaft gelebt, auf der Bühne war er mitreißend und begeisternd.

Soul, Rock, Pop, Jazz: Vieles hat er gemacht, aber was war seine besondere Stärke?

Er hatte eine unverwechselbare Stimme. Sein Timbre war eine vollendete "Black Voice", aus unzähligen Sängern hat man ihn herausgehört. So eine persönliche Note ist eine große Gabe, die viele Kollegen gerne hätten.

Wie fanden Thilo Wolf und John Davis zueinander?

Das weiß ich gar nicht mehr so genau. Möglich, dass wir uns mal auf einer Party über den Weg gelaufen sind. Vor zehn Jahren begann jedenfalls die Zusammenarbeit zwischen ihm und der Big Band. Gemeinsam hatten wir einige Auftritte, ich denke an den Rundfunkball in Münch en, den Opernball Hannover, viele Galas und die ganzen Geschichten mit den Nürnberger Symphonikern. Intendant Lucius A. Hemmer hatte immer ein großes Herz für ihn.

So vielfältig er auch war, für den Großteil der Öffentlichkeit galt er doch immer als die "wahre Stimme von Milli Vanilli". Ist das nicht etwas, das dir irgendwann zum Hals heraushängt?

Das könnte man meinen, aber er hat ganz aktiv genau damit geworben. Gegen Produzent Frank Farian hat er sich das Recht erstritten, als "wahre Stimme" PR machen zu dürfen. Ironie der Geschichte ist halt leider, dass die einen an Milli Vanilli groß verdient haben, andere nicht.

Das Ganze ist mehr als 30 Jahre her. Wäre so eine Trickserei im Musikbusiness 2021 noch einmal denkbar?

Ich glaube nicht, dass Künstler heutzutage bereit wären, so einen Schmu mitzumachen. Die Ausbildung der Musikerinnen und Musiker ist heute viel besser. Wer jetzt am Markt groß geworden ist, der ist es völlig zu Recht. Auch Künstler, auf die ein Großteil der Öffentlichkeit eher skeptisch reagiert, tricksen nicht, sondern liefern Qualität. Zum Beispiel Florian Silbereisen. Kommt ins Studio, braucht zwei Takes, fertig. Super vorbereitet, super professionell.

John Davis lebte zuletzt in Cadolzburg. Sagen wir es vorsichtig: Als Star, womöglich gar als Superstar stellt man seinen Koffer eher nicht im Landkreis Fürth ab. Was, glauben Sie, hat bei ihm gefehlt zur ganz großen Karriere?

Er hat es versucht. Aber die Maschinerie und das Business sind erfahrungsgemäß sehr groß. Irgendwann war es einfach zu spät. Dennoch ist er für mich und meine Kollegen immer ein Großer gewesen.

Hätte es ein neues Projekt mit Ihnen gegeben?


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Er hat zuletzt einige Auftritte mit meiner Lebensgefährtin und Pianistin Béatrice Kahl gehabt. Mit Sicherheit wäre auch mit mir wieder etwas Neues entstanden.

Ihr persönlicher John-Davis-Gänsehautmoment?

Wenn er "What a Wonderful World" zunächst wie Louis Armstrong sang und dann auf John Davis umschaltete. Oder "Sunny", das habe ich ihm zum 25-Jahr-Jubiläum der Big Band arrangiert. Das war sein Ding, damit hat er jedes Publikum gekriegt.

Was wird der hiesigen Musikszene fehlen?

Auf jeden Fall ein super Sänger und eine schillernde Persönlichkeit. Und sein Lachen. Wenn er lachend auf dich zuging, das war absolut einmalig.

Thilo Wolf, Jahrgang 1967, arbeitet als Pianist, Komponist und Arrangeur. 2004 nahm er den Kulturpreis seiner Heimatstadt Fürth entgegen. Mit seiner Big Band ist er national und international unterwegs, Aufnahmen produzierte er etwa für Al Martino und Bill Ramsey. Seit 2007 ist er musikalischer Leiter der Produktionen des Stadttheaters. Für die Comödie arrangierte er zuletzt "Die lustige Witwe". Ein großer Erfolg war sein Musical "Swing Street", das im Oktober 2020 Uraufführung im Stadttheater hatte.