
Jean Paul liebte und verehrte seine Frau. Frankens großer Dichter freute sich über jedes neugeborene Kind. Noch größer, das hielt seine Frau einmal fest, war seine Freude, wenn wieder ein frisches Fass Bier eintraf. Die Frauen, das Bier, die Liebe, die Freude – man wird daran denken nach dem Besuch dieser hübschen kleinen Stadt.
Spalt im fränkischen Hopfenland, die Hopfenhäuser mit ihren Spitzgiebel-Dächern, ein wunderbares Panorama. Die Stadt mit dem ersten Hopfensiegel der Welt, einem Siegel von 1341, ist ein bisschen berühmt in Liebhaberkreisen, wer durch die schönen Gassen spaziert, bleibt vor diesem einen Anwesen in der Gänsgasse immer stehen. Es ist ein Blickfang: Stelen mit Kronkorken, mit Bierfilzen, zu Türmchen gestapelte Fässer. Hier wohnt der Bierdeckel-Günter – ohne Ehefrau, er wird davon erzählen.
Günter Hilger, aufgewachsen als Banat-Schwabe in Rumänien, empfängt gerne Gäste, wenn sie seine Sammlung sehen wollen, über 35 000 Bierdeckel aus aller Welt sind es mittlerweile, sie füllen, abgeheftet in Hunderte Ordner, zwei Räume im ersten Stock. Angefangen damit hat die geliebte Mama, der Sohn, der bei der Stadtbrauerei arbeitet, Abteilung Haustrunk, pflegt die Kollektion "mit Freude und Hingabe", wie Hilger sagt, seit Jahrzehnten.
800 Deckel an einem Tag
Manche Stücke werden von Sammlern inzwischen für vierstellige Beträge gehandelt, verkaufen mag er aber keines. Im Gegenteil, die Sammlung soll wachsen, neben der Haustür steht ein großer Bierdeckel-Briefkasten – einmal reichte er nicht aus, das war die Geschichte mit der Frau, die der Bierdeckel-Günter suchte, genau genommen tat es die Mama.
"Schwiegertochter gesucht" hieß die Show im Boulevardfernsehen, obwohl Günter Hilger eine gute Figur machte, fand sich leider keine passende. Aber dafür quoll, nach der Ausstrahlung, der Bierdeckel-Briefkasten über, 800 an einem Tag, erzählt der in der Stadt bekannte Sammler. Weil ihn die Leute mögen, bringen sie ihm gerne Bierdeckel vorbei.
Erfüllter Lebenstraum
"Zum Bierdeckel-Günter" steht auf dem Türschild, das eher ein Hauswappen ist, geschnitzt hat es Ulrich Hallmeyer, Hilgers Nachbar in der Gänsgasse, die sie hier die Künstlergasse nennen. Auch Hallmeyers Haus ist nicht zu übersehen, zwei große, prächtig geschnitzte Hopfendolden zieren die Fassade. Ulrich Hallmeyer, ein freundlicher, aufgeräumter Mann, trinkt, seit einem Herzinfarkt, kein Bier mehr, die Sache mit der Liebe ging auch nicht gut aus. Vier Kinder, später die Scheidung, Hallmeyers Leben verlief nicht gerade linear, aber er folgte ohne Reue einem "Traum, den ich gegen alle Widerstände verfolgt habe", wie er sagt.
Um zu schnitzen, ruinierte er schon als Bub Küchenmesser, nicht zur Freude der Mama, als Abiturient am Gymnasium der Kreisstadt Roth inspirierte ihn ein junger Kunstlehrer. "Blauäugig", sagt er, sei er oft gewesen, "Kunst ist es erst dann, wenn es bezahlt wird", so arbeitete Hallmeyer jahrelang hart am Bau, ehe er 1982 selbst einen Gewerbeschein beantragte, "Herstellung und Vertrieb von Kunstgegenständen". Mit dem Haus in der Gänsegasse, "der Wackelburg", wie der 64 Jahre alte Hallmeyer sagt, erfüllte er sich vor 13 Jahren den Lebenstraum, "eine kreative, selbständige Tätigkeit", man kennt ihn über die Region hinaus.
Frau Luther und das Bier
Walter Bachmann hat die Kunstwerke Hallmeyers aufgelistet, er liebt Spalt, seine Heimat, er ist glücklich verheiratet, seine Frau hat gerade gebacken, für den Besucher stehen ein paar Plätzchen bereit. Würden die Bachmanns im frühneuzeitlichen Spalt leben, würde Frau Bachmann auch das Bier brauen.
Ohne Frauen kein Bier, man kann das hier, in Spalt, schon bei Martin Luther lernen, genauer: über Luthers Weggefährten und Mitstreiter, den Humanisten und Theologen Georg Burkhardt, der sich nach seiner Geburtsstadt Spalatin nannte. Er war ein Feingeist von zierlicher, schöner Gestalt und parlierte vornehmlich in lateinischer Sprache, anders als den prallen Lebensmenschen Luther kann man sich Spalatin eigentlich kaum am Biertisch vorstellen.
Aber, doch, "unser Schorschla", wie Walter Bachmann sagt, "hat mit Sicherheit gerne Bier getrunken", später nahm Spalatin sogar Braurechte mit nach Altenburg, von wo aus er mithalf, die Reformation voranzutreiben. Bachmann erinnert an Katarina von Bora, Luthers Ehefrau, die auch als hervorragende Brauerin bekannt war, "so oft sie könne", schrieb ihr der Gatte, möge sie ihm bitte "ein Pfloschen ihres Bieres" schicken.
Bloß keine männlichen Pflanzen
Auch in Spalt, erzählt Bachmann, der seit drei Jahrzehnten als Fremdenführer arbeitet, gehörten Braukessel zur Ausstattung angehender Bräute, "das Brauen", sagt er, "ist historisch betrachtet Frauensache", es gehörte schlicht zum Haushalt. Schon ein halbes Jahrhundert vor Luther pries die Heilige Hildegard von Bingen die Heilkraft des Hopfens, "Cervisium bibat", trinkt Bier, empfahl sie.
Soll es gelingen mit dem Bier, hält man Männer im Grunde sogar besser so fern wie möglich. "Je näher sie einem Hopfengarten kommen, desto gefährlicher wird es", sagt Stefanie Pschera und lacht. Sie hat natürlich nichts gegen Männer, die Liebe zu einem Hopfengärtner führte sie nach Spalt. Aber sie kennt sich nicht nur sehr gut aus mit der Hanfpflanze Hopfen, sie ist die amtierende Hopfenkönigin der Stadt und versichert gern, dass "im Bier ein bisschen Kunst und viel mehr Weiblichkeit, als Männer sich das vorstellen", stecken.
Kunden aus aller Welt
Es ist nämlich so: Zum Brauen werden nur die Dolden verwendet, und die werden ausschließlich von weiblichen Pflanzen gebildet. Das Geschlecht lässt sich erst mit der Blüte erkennen, männliche Pflanzen machen Hopfenfrüchte unbrauchbar, wo sie auftauchen, werden sie entfernt. Hier beherrschen sie diese Kunst meisterhaft, Spalt ist das viertgrößte Hopfenanbaugebiet in Deutschland; seine führende Rolle hat es zwar längst an die Hallertau verloren, deren Anbaugebiet mit über 17 000 Hektar rund vierzigmal größer ist. Aber 51 Hopfenbauern beliefern Kunden aus allen fünf Kontinenten. Zur Hopfenernte kamen Arbeiter einst aus ganz Europa, über 2000 waren es, zu ihrem Fest, dem "Saumarkt" am zweiten Erntesonntag, war Bier eine Weltsprache – allerdings eine laute. Zu viele Männer: Im Jahr 1912 verbot der Magistrat das arg wild gewordene Treiben, erst 1989 wurde es wiederbelebt.
Seitdem regieren Frauen, wenn es ums Bier geht, im Kornhaus, das das schöne Museum "HofenBierGut" beherbergt, lädt neben der Hopfenkönigin Stefanie Pschera die Bierkönigin Johanna Merkenschlager zu einer abendlichen Privataudienz. Als Tochter einer Hopfenbauerfamilie ist sie mit dem Bier aufgewachsen, sie freut sich nach einem harten Arbeitstag "jetzt im Winter immer besonders auf einen kühlen Weizenbock". Rivalinnen sind die Königinnen nicht, im Gegenteil, "man muss ja das Handwerk und das Produkt würdigen", findet Johanna Merkenschlager, die die Geschichte des Bieres über Jahrhunderte kennt. Männer- oder Frauengetränk? "Alle haben es getrunken, weil es gesünder als Wasser war", damals, in Zeiten verkeimter und verseuchter Flüsse, "und es war ja ein Dünnbier". Heute fasziniert die Vielfalt, "man lernt bei jeder Ernte dazu", sagt Stefanie Pschera über ihr Reich, den Hopfen, "man riecht die Aromen der unterschiedlichen Dolden, es ist faszinierend, was Hopfen mit Bier machen kann."
Königinnen retten die Erde
"Wunderbare Botschafterinnen" nennt Walter Bachmann die Königinnen, als eine Verneigung vor den Frauen, glaubt er, sei es zu verstehen, dass die Stadtbrauerei dem "Hellen Hans", dem beliebten Craftbier, die "Wuchtige Wilma" folgen ließ, "die mit einem starken Push um die Ecke kommt", wie Bierkönigin Johanna findet. Auch Bierdeckel-Günter Hilger mag sie, wie überhaupt Bier, "das sieht man ja", sagt er und tätschelt seinen kleinen Bauchansatz. Der "Hopfen-Hype", wie er lächelnd sagt, holt auch den Abstinenzler immer wieder ein, Ulrich Hallmeyer fertigt in seiner Künstlerwerkstatt wunderschöne Hopfen-Zepter.
Ihnen allen gehört die im Jahr 1540 gegründete Brauerei – nicht alleine, sie teilen sie mit 5000 anderen, mit allen Einwohnern der Stadt. Die Stadtbrauerei Spalt ist die letzte Kommunbrauerei in Deutschland, sie gehört seit 1879, da kaufte sie der Magistrat, der Bürgerschaft, "ein Wahrzeichen der Stadt", nennt sie nicht nur die Bierkönigin.
Johanna Merkenschlager beschäftigt sich hauptberuflich mit Planung und Bau von Nahwärmenetzen, Hopfenkönigin Stefanie Pschera mit der Elektromobilität. Nachhaltigkeit ist beiden Königinnen nicht nur bei Hopfen und Bier ein Anliegen. "Wir helfen bei der Energiewende mit, um die Welt zu retten – damit wir alle noch lange Bier trinken können", sagt Johanna Merkenschlager lachend. Großartige Frauen, Kunstsinn, gutes Bier – man fährt voller Weltvertrauen nach Hause.
