FÜRTH - Eigentlich leitet Reiner Krüger, einst einer der ersten männlichen Erzieher in Fürth, sie noch bis Ende Oktober, die Kindertagesstätte der Auferstehungskirche am Stadtpark. Wegen ein paar übrig gebliebener Urlaubstage aber ist der 65-Jährige faktisch schon weg. Dann geht's ab in den Ruhestand.

Auf eine offizielle Verabschiedung hat er nach 24 Jahren verzichtet. Doch war er zu Tränen gerührt, als "seine" hundert Kinder ein letztes Lied für ihn sangen und ihm, eins nach dem anderen, hundert kleine Rosen in die Hand drückten.

Reiner Krüger – ein Mann mit wachem, direktem Blick, silbernem Ohrstecker und einer Aura von Gelassenheit – entschied sich einst für einen Job, der bis heute als typischer Frauenberuf gilt. Dabei hatte alles mit einem typischen Männerberuf angefangen.

Der gebürtige Göttinger, der fünf war, als seine Familie nach Fürth umzog, startete als 15-Jähriger in den 70er Jahren erst einmal im Autohaus Pillenstein als Kfz-Mechaniker. Bald aber hatte er genug von der "toten Materie", sehnte sich nach einer Arbeit mit Menschen. "Ich konnte gut zuhören." Und so entschied er sich 1981 für eine zweite Ausbildung – zum Erzieher.

Wie Sand am Meer

Erzieher, vor allem Erzieherinnen, gab es damals wie Sand am Meer, erinnert sich Krüger, weshalb er erst einmal ohne Job dastand. Er traf auf Eltern, die ihre Vorschulkinder pädagogisch betreut wissen wollten. Die private Initiative mietete sich in der Leyher Straße neben der damaligen Bäckerei Fehr ein. Zusammen mit Müttern und Vätern agierte Krüger hier "nicht antiautoritär, aber sehr frei".

Aus dem Südstadt-Projekt erwuchs mit der Atzenhofer "Rasselbande" 1985 ein integrativer Kindergarten, von dem sich Krüger 1990 lossagte. Denn: Der ältere seiner beiden Söhne, Benjamin, besuchte die "Rasselbande" inzwischen auch, "aber die Doppelrolle als Vater und Mitarbeiter hat mir nicht behagt". Krüger bekam – "als einer der ersten Männer in Bayern", wie er sich erinnert – eine Leitungsposition bei einem evangelischen Kindergarten in Heroldsberg. 1996 wechselte er die Stelle und wurde Chef im Fürther "Haus für Kinder und Eltern".

"Beobachter und Begleiter"

Auf die Frage, was ihm am Herzen lag in all den Jahren, antwortet der 65-Jährige, er habe sich immer als "Beobachter und Begleiter" der Drei- bis Siebenjährigen verstanden. "Ich habe ihnen erlaubt, sich in einem sicheren Rahmen auszuprobieren." Zum Beispiel an einer Werkbank mit vier Schraubblöcken, beim Kuchenbacken, Rutschenbau mit Brett und Kästen oder in der spielzeugfreien Zeit.

Drei Monate am Stück gehen in der Kita nämlich jedes Jahr Sandschaufeln, Bauklötze und Brettspiele "in den Urlaub" – eine Zeit, die die Kinder in besonderer Weise "zum eigenen Denken und Handeln reizt".

Fragt man Krüger, was er als Mann im Erzieherberuf anders gemacht hat als seine vielen Kolleginnen, zuckt er mit den Schultern. Sicher, er sei als "Interessenvertreter" für die Buben angetreten, habe mit seinem Team, dem immer wieder auch männliche Erzieher, Kinderpfleger und Praktikanten angehörten, Freiräume geschaffen, damit sie, aber natürlich auch die Mädchen, sich auspowern können.

"Wertschätzender Umgang"

Aber: Mann oder Frau, Mädchen oder Junge – letztlich seien das nur Etiketten, findet Krüger. Eine zweieinhalbjährige Weiterbildung zum Spielpädagogen in seiner Atzenhofer Zeit, sagt er, habe ihn "total geprägt" und gelehrt, sein Gegenüber bewusst wahrzunehmen. Darauf komme es doch an und auf einen "wertschätzenden Umgang mit jedem Menschen".

Reiner Krüger, den viele Fürther auch vom Maroni-Stand bei der Altstadtweihnacht kennen, trennt sich mit einem lachenden und einem weinenden Auge von seinem Leben in der Kita. Vieles wird er vermissen wie das jährliche Vater-Kind-Zelten an der Kratzmühle im Altmühltal.


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Doch er freut sich auch auf die Zeit mit seiner Frau, seinen Söhnen und Enkeln, aufs Boulespielen, Pilzesuchen und Angeln. Sein Nachfolger im "Haus für Eltern und Kinder" ist übrigens ein Mann: Timo Karrock, 44, Erzieher, Kindheitspädagoge – und Opernsänger.