
Die deutschen Geheimdienste sollen bei der Überwachung digitaler Kommunikation künftig deutlich mehr Befugnisse bekommen. Einem Bericht der Süddeutschen Zeitung zufolge haben sich das Bundesinnenministerium und das Bundesjustizministerium darauf geeinigt, dass die Ermittler auch gespeicherte Mails und Chats auswerten dürfen, die aus der Zeit stammen, bevor das Gerät eines Nutzers infiltriert wurde. Bislang durften die Agenten nur die laufende Kommunikation überwachen. Auch Heise online hatte darüber berichtet.
"Staatstrojaner" kam auch in Nürnberg zum Einsatz
Die sogenannte Quellen-Telekommunikationsüberwachung ermöglicht es den Geheimdiensten, Text-Nachrichten, Mails, Chats, und Telefonate quasi live auf dem Smartphone oder Computer des Nutzers mitzuschneiden. Die Software, oft als "Staatstrojaner" bezeichnet, greift die Daten bereits ab, bevor sie verschlüsselt werden - oder nach der Entschlüsselung.
"Überwachung" ist nicht gleich "Durchsuchung"
Dem Bericht zufolge sollen die Ermittler allerdings nur auf die Daten zugreifen können, die ab dem Zeitpunkt entstanden sind, zu dem die Überwachung bewilligt wurde. Noch weiter zurückliegende Nachrichten sollen weiterhin nur bei der "Online-Durchsuchung" ausgewertet werden dürfen - einem deutlich schärferen Schwert bei Ermittlungen.
Für die Agenten sind die neuen Möglichkeiten der erweiterten Quellen-Telekommunikationsüberwachung trotzdem interessant, weil von der Bewilligung einer Überwachung bis zum technisch äußerst aufwendigen "Entern" des Geräts eines Verdächtigen viel Zeit vergehen kann.
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Dem Vernehmen nach wollte das Innenministerium von Horst Seehofer (CSU) dem Verfassungsschutz deutlich früher das Recht zur Online-Durchsuchung einräumen. Dies sei dann aber am Widerstand des SPD-geführten Justizministeriums gescheitert.
SPD soll Widerstand aufgeben
Der innenpolitische Sprecher der Unionsfraktion, Mathias Middelberg (CDU), hatte die SPD bereits vor einigen Wochen aufgefordert, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Er hob hervor, dass es dabei nicht um flächendeckende Überwachung gehe, "sondern in besonderen Einzelfällen um die Verhinderung schwerster extremistischer Straftaten".
Derweil beklagen Ermittler, selbst mit erweiterten rechtlichen Möglichkeiten im Kampf gegen Kriminalität hinterherzuhinken. Wie der Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel, der mit Ermittlungen im Clan-Milieu betraut ist, in einem Interview sagte, sei man den kriminellen Familienbanden technisch "in jedweder Hinsicht unterlegen" - etwa weil die Verbrecher abhörsichere Geräte nutzten, von denen man "auf Knopfdruck alles löschen kann".